EU-Sanierungspflicht: Gebäuderichtlinien bis 2030

Damit die Europäische Union bis 2050 klimaneutral wird, hat sich die EU im Zuge der Reform der Gebäuderichtlinie (EPBD) auf strengere Vorgaben zur Energieeffizienz von Immobilien geeinigt. Eine Sanierungspflicht für einzelne Wohnhäuser ist aber vom Tisch.

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Mitgliedstaaten haben sich am 7.12.2023 im entscheidenden Trilog mit der EU-Kommission auf strengere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die Reform der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) sieht unter anderem vor, dass bei Wohngebäuden der Energieverbrauch im Schnitt bis zum Jahr 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinken soll.

Nach dem Verständnis von Verbänden von Eigentümern und der Wohnungswirtschaft ist damit die zunächst vom EU-Parlament geforderte Sanierungspflicht für besonders schlecht gedämmte private Wohngebäude vom Tisch. Haus & Grund hatte vor der Gefahr eines massiven Wertverfalls der Immobilien durch Zwangssanierungen gewarnt. Der GdW wertete den Kompromiss als positives Signal und führte erneut Quartiersansätze ins Feld.

Geywitz: Quartiersansatz statt Zwangssanierung

Die Bundesregierung hatte sich lange für die Sanierung der energetisch schlechtesten Gebäude ausgesprochen, davon distanzierte sich aber Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch vor den abschließenden EPBD-Verhandlungen: "Verpflichtende Sanierungen für einzelne Wohngebäude schließen wir aus", teilte sein Ministerium  laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" online (faz.net) im September 2023 mit.

Auch Bauministerin Klara Geywitz (SPD) stellte sich bereits gegen die Zwangssanierung, nachdem die Pläne des EU-Parlaments im Frühjahr bekannt geworden waren. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte sie, es sei nicht zu unterschätzen, "was für einen Stress eine Sanierungspflicht bei den Menschen auslösen würde" – Eigentümer könnten finanziell, aber auch mit der Umsetzung der Baumaßnahmen massiv überfordert sein.

"Der gefundene Kompromiss orientiert sich an der Realität und überfordert weder die Familie im Einfamilienhaus auf dem Land noch den Bäckermeister mit kleiner Backstube und Verkaufsraum", kommentierte Geywitz die Trilog-Einigung: "Wir werden die Klimaziele einhalten, zum Beispiel, indem wir ganze Quartiere einbeziehen."

Strenge Sanierungspflicht: Was das EU-Parlament wollte

Das EU-Parlament stimmte am 14.3.2023 mit einer deutlichen Mehrheit für strengere Regeln bei der Reform der Gebäuderichtlinie (EPBD) – der Plan war, dass bis zum Jahr 2030 alle Wohnhäuser mindestens die Energieeffizienzklasse "E" und bis 2033 mindestens die mittlere Energieeffizienzklasse "D" erreichen sollten.

Zum Vergleich: Bei den in Klasse "G" eingestuften Gebäuden handelt es um die 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude eines Landes, Klasse "A" wäre top.

Der im EU-Parlament für das Vorhaben federführend zuständige Abgeordnete Ciarán Cuffe (Grüne) betonte, dass Ausnahmen vorgesehen seien: etwa für kleine Gebäude unter 50 Quadratmetern oder Ferienhäuser. Einer Mitteilung des Parlaments zufolge dürfen die EU-Staaten weitere Ausnahmen erlauben, "je nachdem, ob die Renovierungen wirtschaftlich und technisch durchführbar und qualifizierte Arbeitskräfte verfügbar sind."

Neue und alte Gebäude: Das schlug der EU-Rat vor

Das EU-Parlament hatte im März 2023 die Vorschläge des Ministerrats der Europäischen Union (EU-Rat) deutlich nach oben korrigiert. Der Rat einigte sich am 25.10.2022 in Bezug auf Neubauten darauf (allgemeine Ausrichtung), dass 2028 zunächst öffentliche Gebäude und ab 2030 alle Gebäude klimaneutral sein sollen. Ausnahmen soll es für historische Gebäude, Gebetshäuser oder Gebäude für Verteidigungszwecke geben.

Für den Bestand schlug der EU-Rat Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz vor. Diese Vorgaben würden auf Grundlage eines "nationalen Pfads" festgelegt werden – mit zwei Kontrollpunkten: Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands soll bis 2033 mindestens dem Niveau der Energieeffizienzklasse "D" entsprechen – und bis 2040 soll ein nationaler Wert erreicht werden, "der sich aus einer schrittweisen Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs von 2033 bis 2050 entsprechend dem Umbau des Wohngebäudebestands" in einen Net-Zero-Gebäudebestand ergibt.

Eine Sanierungspflicht für Wohnhäuser bis zehn Einheiten würde demnach erst einsetzen, wenn das Gebäude den Eigentümer wechselt. Der müsste dann innerhalb von fünf Jahren nach dem Kauf energetisch sanieren.

EU-Kommission riet auch zur Sanierungspflicht

Die Europäische Kommission (EU-Kommission) legte ihre Vorschläge für eine neue Gebäuderichtlinie bereits am 15.12.2021 vor. Die Behörde riet ebenfalls zu einer Sanierungspflicht.

Bis spätestens 2030 soll kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse "G" angehören, heißt es in diesem Papier: 15 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten Energieeffizienz sollten bis zum Jahr 2027 von Klasse "G" auf mindestens Klasse "F" verbessert werden – bei Wohngebäuden entsprechend bis 2030. Bis 2033 sollte die Klasse "E" erreicht werden.

Die EPBD-Reform ist Teil des Klimapakets "Fit for 55", mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden sollen.

European Green Deal: Das "Fit for 55"-Paket

Am 14.7.2021 veröffentlichte die EU-Kommission das "Fit for 55"-Programm mit zwölf konkreten Vorschlägen, wie sie die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken will. Das war der erste Schritt hin zum klimaneutralen Europa bis 2050 – und Teil der Umsetzung des Projekts "European Green Deal". Acht Gesetze müssen verschärft, vier neue beschlossen werden.

Als konkrete Maßnahmen wurden

  • das Emission Trading System (ETS), das den Gebäudesektor in ein separates europäisches Emissionshandelssystem einbezieht,
  • die Renewable Energy Directive (RED), die einen gemeinsamen Rahmen für die Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen vorgibt,
  • die Energy Efficiency Directive (EED) mit der Energieeffizienz als Zielwert,
  • die Effort Sharing Regulation (ESR), eine Richtlinie, die das Klimaziel 2030 anhand der Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten verteilt, und
  • die Energiesteuerrichtlinie Energy Taxation Directive (ETD) genannt.

Mit dem Sustainable Europe Investment Plan als Teil des European Green Deal hatte die EU-Kommission Anfang 2020 festgelegt, aus welchen Quellen der enorme Kapitalbedarf von rund einer Billion Euro für ein klimaneutrales Europa stammen soll.

Reform der EU-Gebäuderichtlinie: Wie geht es weiter?

Tatsächlich müssen das Europaparlament und der EU-Rat dem Kompromiss formal noch zustimmen, bevor die Gebäuderichtlinie in Kraft treten kann und die EU-Staaten die Regeln in nationales Recht umsetzen können.

Beschlossen haben die Unterhändler auch den Ausstieg aus Heizungen mit fossilen Brennstoffen. Die EU-Staaten sollen einen Fahrplan bis zum Jahr 2040 implementieren. Mit der Förderung für Öl- und Gasheizungen soll spätestens 2025 Schluss sein. Mit der EPBD-Reform wurden auch Zeitpunkte festgelegt, bis zu denen Nicht-Wohngebäude die Energiestandards erreicht haben müssen, um bis 2050 klimaneutral zu sein: Die Vorschriften sehen vor, dass 16 Prozent der am wenigsten energieeffizienten Gebäude bis 2030 und 26 Prozent bis 2033 renoviert werden müssen.

Zudem soll die Installation von Solaranlagen bis 2030 auch in neuen Wohngebäuden verpflichtend werden, wo es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Wie die Ziele konkret erreicht werden, können die EU-Staaten zu großen Teilen selbst festlegen. Auch mögliche Sanktionen für Immobilieneigentümer, die diese Ziele nicht rechtzeitig erreichen, werden im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht diskutiert.

Weitere Informationen und Text-Quelle: Haufe